9. Mauerweglauf 2021

Das war er nun also, der 9. Mauerweglauf 2021. Was für ein Laufwochenende, so viele Eindrücke, soviele Emotionen …. Für mich war es der dritte Start bei diesen tollen Lauf bei dem es nicht nur um uns, den Läufern, sondern auch um die Sache selbst, die „Mauer“ geht. Mit meinen zarten 50 Jahren hab ich natürlich auch so meine ganz eigene Erinnerungen an die DDR und somit ist dieses Event auch ein Teil meiner Vergangenheit. Unsere eigenen Kinder kennen (zum Glück) keine Innerdeutsche Grenze mehr, für Sie ist das sicherlich alles weit weg, halt Geschichte. Eigentlich ganz tröstlich.

Meine, bzw. unsere Anreise erfolgte bereits am Freitag. Wegen Corona war diesmal alles anders, das Briefing war für Wiederholungstäter nicht zwingend erforderlich, die Pasta Party wurde entzerrt und auch für das abholen der Startunterlagen gab es Zeitfenster. Das alles war natürlich notwendig um die Veranstaltung Coronakonform abzuwickeln aber leider hat dadurch das eigentliche Flair etwas gelitten. Sonst traf man halt vorher alle möglichen Verrückte, wechselte ein paar Worte, die Vorfreude nahm Fahrt auf. Das war halt diesmal nicht, zumindest nicht bei mir.

Aber es hatte auch Vorteile. Da mich meine liebe Frau und mein jüngster begleiteten und wir anschließend noch ein paar Tage Urlaub machen wollten, hatten wir nach dem abholen der Startunterlagen noch Zeit ein wenig zu bummeln, mit Briefing und Pasta Party wäre das nicht möglich gewesen und so hatten wir noch ein paar Stunden für uns. Vorher trafen wir uns aber noch mit Andreas J. am Alex auf ein Eis. Dabei hatten wir kurz Zeit unser Strategie für den Lauf festzulegen die da lautete: Ankommen und Spaß haben.

Abends spazierten wir noch runter zum Reichstag. Dort durften wir eine schöne Projektion, über die Spree hinweg an das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus bewundern
Es war wirklich gut gemacht und passte für mich gut zum einstimmen auf den Mauerweglauf.

Zurück im Hotel wurde die letzten Sachen bereit gelegt, dann ging das Licht aus. Aber ich konnte nicht schlafen. Die Müdigkeit war weg, es war heiß im Zimmer, das Fenster auf, draußen war es laut…. Ich bekam einen Rappel. Das kann doch nicht sein, um 4 Uhr wollte ich aufstehen um meine Tram zu erreichen.
23 Uhr, 24 Uhr,1 Uhr, 2 Uhr, 3 Uhr … irgendwann, wahrscheinlich halb 4 bin ich eingeschlafen und habe so prompt das vibrieren meines Weckers verpennt. Halb 5 bin ich dann hektisch aus dem Bett, Toilette, Sachen schnappen und raus. Meine Tram hab ich gerade noch so bekommen.Angekommen im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark gab ich meine Dropbags für KM 90 und 128 ab. In den Dropbags waren Wechselsachen, Stirnlampe, Warnweste und verschiedene andere Dinge untergebracht von denen man glaubte das man sie brauchen könnte.

Um kurz vor 6 Uhr machten wir uns dann alle auf den Weg in den Innenbereichen des Stadions. Ein erstes Selfie und dann ging es auch schon los auf die Strecke (nach der obligatorischen Stadionrunde) und unsere Miniabenteuer konnte beginnen. Bereits beim Start war es sehr warm die Sonne leistete ganz Arbeit. Die ersten km durch die Stadt wurden immer wieder unterbrochen durch das warten an den Ampeln was unserer Pace natürlich nicht zu gute kam 🙂 Aber stören tat es uns nicht, wir hatten ja Zeit. Schon auf den ersten Metern trafen wir immer wieder auf bekannte Gesichter und so schraubten wir uns durch die Stadt in Richtung Süden durch das Regierungsviertel, CheckPoint Charlie an der East Side Gallery entlang und immer weiter. Die Sonne brannte mittlerweile mächtig auf das Haupt und ich war froh meine Mütze dabei zu haben.
Zwischendurch immer wieder Verpflegungspunkte mit wirklich sehr netten „Personal“ die einen fast jeden Wunsch von den Lippen ablasen. Irgendwo, irgendwie kam ich sogar in den Genuss eines Eises welches eine Radbegleitung für Ihren Schützling kaufen sollte (3er Pack vom Discounter, da bleibt dann halt was übrig).

Ich kann hier jetzt natürlich keinen Detailbericht abgeben, das wäre sicherlich sehr langweilig aber die allgemeine Verfassung war bis km 59, der erste Wechselpunkt in Teltow, sehr gut. Natürlich ist man schon ein wenig angezählt aber alles war hier noch im grünen Bereich. Von Teltow bis zum nächsten WP waren es nun wieder gut 30 km. Hört sich nicht viel an, zumindest für jemanden der so etwas 4x die Woche läuft (oder lief, ich werde ab jetzt ein wenig die Umfänge reduzieren), aber 30 km nach dem man schon 60 gelaufen ist sind dann halt doch was anderes.

Das größte Problem für mich ist wie immer die Ernährung. Irgendwann geht nix mehr rein und man ist nur noch am trinken. Man merkt das die Energie verschwindet kann es aber nicht ändern. Die Laune und die Motivation war stets bestens aber plötzlich, so ab KM 85 vielleicht, hatte jemand den Stecker gezogen und die Akkus waren leer. Wir erreichten Schloß Sacrow bei KM 91 und ich hatte einige Minuten ein ernstes Zwiegespräch mit mir selbst. Einer wollte aufhören, einer weiter laufen. Ich entschied mich, mir erst einmal die Füße zu waschen, frische Socken anzuziehen und mich kurz auf den Rasen zu legen……
Schlussendlich entschied ich mich weiterzulaufen, und das war gut so. Andreas munterte mich immer wieder auf und so langsam kamen auch die Lebensgeister wieder. Dann bei KM 99 erreichten wir den VP „Pagel und Friends“ und ab hier konnte ich endlich wieder was essen den es gab Brühe mit Nudeln, Pellkartoffeln mit Salz und viele andere leckere Dinge. Ich war wieder voller Energie und gaaaaanz plötzlich wurde es auch dunkel.Alles war toll, bis mir plötzlich so ab KM 110 der rechte Fuß weh tat, zuerst ging es noch aber dann wurde es km für km schlimmer und ab Wechselpunkt 3 war es dann richtig übel. Hinzu kam das die Oberschenkel immer zu machten wenn wir uns an den VPs aufhielten. Ich setzte mich meist hin, was vielleicht ein Fehler war, aber ich mochte einfach nicht mehr stehen. Mit Hilfe von Andreas schaffte ich es aber dann immer wieder zumindest die Oberschenkel frei zu bekommen, der Schmerz im Fuß blieb. Irgendwo,irgendwann, mitten in der Nacht hatte ich mich damit abgefunden den Rest (vielleicht so 25 km) zu gehen. Andreas blieb natürlich bei mir und gab mir Zuversicht, sicherlich hätte er wesentlich schneller unterwegs sein können, vielleicht sogar mit einer Zielzeit unter 24 Stunden.
Es war zum heulen… ich entschied das ich wieder laufen muss, 25 km wandern… das wollte ich nicht. Als es langsam wieder hell wurde fingen wir wieder an zu laufen, immer im Wechsel: Laufen …. Gehen …. Laufen …. Gehen … so kamen wir wenigstens ein wenig schneller von der Stelle.

Der Morgen war wunderschön und ich hätte mir gewünscht ihn frischer zu erleben. Mit der Sonne kamen aber auch die Energie zurück und wir konnten so die letzten lächerlichen 10 km in Angriff nehmen. Nach knapp unter 26 Stunden erreichten wir dann endlich das Ziel und ich war froh endlich die Beine still halten zu dürfen.
Vielen lieben Dank an meinen lieben Freund Andreas der mich durch diesen Lauf geführt hat. Ohne Ihn wäre es sicherlich mein erstes DNF beim Mauerweglauf geworden, was sehr schade gewesen wäre da ich durch die Teilnahme von 2019, und da der Lauf 2020 ausgefallen war nun eine „Back to Back“ Medaille bekommen habe. Natürlich ist das alles nicht so wichtig wie die eigene Gesundheit, aber das Erlebnis des Laufes mit all seinen Höhen und Tiefen ist es wert.
Ich bin sehr glücklich vor über 15 Jahren mit den Laufen angefangen zu haben, nicht unbedingt nur des Sportes wegen sondern weil ich in dieser Zeit so unheimlich viele tolle Menschen kennengelernt habe und mit den besten noch heute befreundet bin, auch über das laufen hinaus.

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