Samstagnacht, 00:30 Uhr, fast Marathondistanz, ich liege auf dem Damm der Innerstetalsperre, dort wo vor einigen Stunden noch reger Personenverkehr war, badende, radelnde oder auch wandernde Zeitgenossen die sicherlich keine Ahnung hatten das Stunden später dort einer rumliegt. Ich bewundere den warmen Asphalt und bin froh einfach nur mal so da liegen zu können. Ein Fuchs querte wenige Momente vorher den Weg, seine feuchten Tatzen haben sich für den Hauch eines Momentes auf dem Boden verewigt. Jörg und Frank füllen Ihre Flaschen auf der Toilette mit Wasser auf… hoffentlich nehmen Sie den richtigen Hahn 🙂
7 Stunden vorher: Frank, Matze, Jörg und ich machen uns auf den Weg den 7. Sunrise Rock 2023 zu bestreiten. Erklärtes Ziel ist es zum Sonnenaufgang auf dem Gipfel des Brocken zu stehen. Das hört sich leichter an als es ist. Letztendlich hat der Sonnenaufgang nur ein schmales Zeitfenster und mit gut 82 km Anlauf genau zum richtigen Zeitpunkt oben zu sein ist nicht so einfach. Es kann soviel passieren. So haben wir es auch bisher noch nie geschafft pünktlich oben zu sein, entweder wir waren zu früh oder zu spät. Aber eigentlich ist das auch vollkommen egal. Das wirkliche Ziel ist nämlich der Fortbewegungsvorgang an sich selbst. Einfach einigen Stunden mit lieben Freunden verbringen, zusammen lachen, fluchen, schweigen, laufen. Das ist Ultra, zumindest für uns.
Für die Streckenplanung war dieses Jahr Matze zuständig, das ist wichtig zu wissen 🙂 Der Track führte zunächst über den alten Steinbruch bei Upstedt, nach Henneckenrode, unterhalb des „Langen Berges“ zum Jägerhaus. Am Parkplatz des Jägerhauses hat Matze am Freitagnachmittag eine Verpflegungstüte versteckt damit wir nicht trocken laufen. Solche Tüten zum verpflegen hat er auf der gesamten Strecke verteilt.
Über die Bodensteiner Klippen, es wurde nun plötzlich ganz schnell dunkel, liefen wir weitere 14 km bis Hahausen. Im dichten Buchendickicht der Bodensteiner Klippen verpassten wir eine Abfahrt und kamen ein wenig vom Weg ab. Kurzerhand wurde der Track angepasst und mit leichter, gut 1,5 Stunden, Verspätung trudelten wir in Hahausen ein (KM 34 etwa). In Hahausen wartete Kerstin (die Holde) mit Ihrer Freundin Bettina um uns zu verpflegen. Leider mußte Matze hier aussteigen, er hatte ein wenig Kreislauf und wurde immer langsamer. Natürlich tat uns das sehr Leid, aber es war sicherlich die richtige Entscheidung. Matze fuhr mit Kerstin nach Hause, dann zurück in den Harz um uns durch die Nacht zu bringen. Das war natürlich ein Vorteil.
Ab Hahausen war Harz. Das bedeutet: Steil hoch und wieder runter, mehrmals (gefühlt 100 mal), immer wieder. Natürlich war es bis hierher auch nicht gerade flach gewesen aber nun folgten die ersten langen 270 hm hoch über das Balkenbergmassiv. So etwas wird natürlich gegangen… Steiler Berg. Im „normalen“ Gelände waren Jörg und ich meist vorne, hier am Berg (und auch bei den noch kommenden) zeigte Frank eindrucksvoll wie stark er doch ist. Wie eine Maschine kloppte er den Berg hoch, zwar auch gehend aber wesentlich effektiver und damit schneller wie wir. So war er schnell aus den Augen, erst kurz vor dem Gipfel holten wir Ihn ein und gemeinsam ging es weiter. Wo es hoch geht, geht es auch wieder runter. Nach ca. 7 Stunden erreichten wir die Innerstetalsperre, fast Marathon. Auweia… 7 Stunden für knapp 42 km, das ist bitter. Den Sonnenaufgang konnten wir uns schon jetzt abschminken. Egal.
Nächstes Etappenziel war nun der Auerhahn, hinter Hahnenklee und kurz vor Schalke, etwa 12 km. Dort sollte der nächste VP sein. Wir freuten uns sehr auf Matze, endlich wieder eine kleine Pause, ca. 20 Minuten, dann ging es weiter.
Bei km 61, an einen Zipfel der Okertalsperre, südlich von Schulenberg richtete Matze, nun zusammen mit Andreas, den nächsten VP ein. Der Weg dorthin erwies sich als besonders bescheiden. Zur Ehrenrettung von Matze muß man allerdings auch sagen das wir wohl Streckenweise vom Track abgekommen sind und dadurch auf sehr unwegsamen Gelände unterwegs waren. Es war eine Qual. An laufen war meist nicht zu denken, aber da half kein jammern, da mussten wir nun durch. Umso schöner war es dann am VP. Andreas hat zu Hause seine Kühlschrank geplündert und so durften wir uns über Kaffee, Fischbrötchen und Käsebrot freuen…. und Alster. Mittlerweile war es 05:30 Uhr geworden, es war also hell. Nach dem VP gab es noch einmal einen richtig fiesen Anstieg #kopfschüttelndweiterlaufen
Unser Versorgungsteam lief nun zu Höchstform auf. Bereits in Altenau (km 66) empfingen Sie uns wieder. Oberhalb von Altenau liefen wir durch eine großartige Wiesenlandschaft, der große gelbe Ball am Himmel hatte bereits richtig Kraft. Ich möchte fast behaupten das war der schönste Abschnitt, ever ever ever.
Nächster VP bei Km 72 an der L504, das ist die Straße hoch nach Torfhaus. Parallel zur Landstraße verläuft ein schöner Singletrail den wir gelaufen sind. Keine 1000 Meter weiter war dann auch schon der Parkplatz von Torfhaus. Ab hier lief Andreas mit. So hatten wir unseren privaten Fotografen dabei…. wie komfortabel. Matze verabschiedete sich nun, er hatte noch Termine 😉
Wir liefen und gingen den finalen Rest zum Brockengipfel gemeinsam mit unzähligen Touristen und erreichten um 10:15 Uhr dann endlich das Ziel der schlaflosen Nacht. Juchhu. Kurze Fotopause und dann sofort wieder runter vom Berg zum Torfhaus geschossen. Wir liefen tatsächlich fast komplett durch, zumindest in meiner Erinnerung.
Nach 18 Stunden und 15 Minuten waren wir dann wieder auf dem Parkplatz, das finale Ziel. Das war der bisher längste (Dauer) Sunrise Rock von allen und dadurch auch der anstrengendste. Was hat uns so langsam gemacht ? Zum einen war es sehr warm, auch in der Nacht. Zum anderen natürlich die Tatsache das wir weite Teile wandern mussten. Aber es hat mal wieder soviel Spaß gemacht. Dieser ständige innere Dialog mit einen selbst, die Gespräche, das rumalbern, das fluchen, das lachen… all das macht diese Läufe so besonders und ich bin dankbar das wir das machen können.
Vielen Dank an dieser Stelle an Kerstin und Bettina für den VP in Hahausen. Matze und Andreas gebührt auch ein großer Dank dafür das Sie sich die Nacht um die Ohren schlagen für uns.
Ich freue mich schon auf den 8.Sunrise Rock 2024 aber wir werden uns sicherlich noch öfters vorher bei anderen verrückten Läufen sehen.
PS: Die Fotos sind von Andreas, Matze, Jörg, Frank und mir. Rechtschreibfehler dürfen behalten werden, irgendwann gibt es wieder eine Rechtschreibereform und dann stimmt wieder alles 🙂